Narkolepsie

Gefangen im schlafenden Körper

Von Nadine Effert · 2017

Sei es im Bus, beim Einkaufen oder bei der Arbeit: Narkoleptiker werden urplötzlich von einer bleiernen Schläfrigkeit überfallen. Schuld an der seltenen „Schlafkrankheit“ ist eine gestörte Schlaf-Wach-Regulation. Die Ursache sitzt im Gehirn, wo bestimmte Nervenzellen zerstört sind. Was dazu führt, ist Gegenstand der Forschung.

Wer unter Narkolepsie leidet, erhält von Mitmenschen schnell den Stempel „Faulpelz“ aufgedrückt oder wird in der Arbeitswelt als erwerbsunfähig aussortiert. Hinter diesem Verhalten steckt das Unwissen, dass es sich bei den plötzlichen Einschlafattacken um eine ernstzunehmende Krankheit handelt, die auf organische Ursachen zurückzuführen ist: Die für die Schlaf-Wach-Regulation zuständige Gehirnregion ist bei Betroffenen dauerhaft gestört. Die Folge: Es wird zu wenig Hypocretin produziert. Der Botenstoff bestimmt, gemeinsam mit weiteren Schlafhormonen, wann wir wach sind und wann wir schlafen.

Ursachenforschung für neue Therapien

„Allerdings ist die Ursache für den Untergang der Nervenzellen im Zwischenhirn noch unklar“, erklärt Dr. med. Ulf Kallweit, Direktor des Instituts für Schlafmedizin und Narkolepsie-Zentrums an der Helios-Klinik Hagen Ambrock. Ein aktueller Ansatz sei die Annahme, dass das körpereigene Immunsystem die Hypocretin-produzierenden Nervenzellen angreift und zerstört. Forscher tüfteln derzeit an der Entwicklung von Medikamenten, die das Immunsystem beeinflussen. Auch was beim Dopaminmangel bei Parkinson-Patienten bereits funktioniert, könnte in Zukunft Narkoleptikern helfen: den fehlenden Botenstoff Hypocretin ersetzen. Allerdings, so der Schlafmediziner, ist es bislang noch nicht gelungen, „die Substanz in ausreichender Menge in das Gehirn zu bekommen“. 

Bewusstsein für Symptome schärfen

Laut Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) leiden in Deutschland etwa 40.000 Menschen – darunter 20 Prozent Kinder – unter dem nicht kontrollierbaren Schlafdrang. Viele wissen gar nicht, dass sie Narkolepsie haben. Symptome wie Tagesschläfrigkeit oder gestörter Nachtschlaf werden mitunter falsch eingeordnet oder banalisiert. Psychische Störungen oder soziale Isolation können die Folge sein. „Die Differenzialdiagnostik ist in der Tat verbesserungswürdig. Die Zeit zwischen Auftreten der Symptome und Diagnose muss noch kürzer werden“, bestätigt Dr. Kallweit. Einfacher ist die Diagnosestellung beim Auftreten einer Kataplexie. Der totale oder teilweise Verlust der Muskelspannung kann zur Gefahr werden: Nicht selten wachen Patienten nach einer Attacke etwa mit einem abgebrochenen Zahn oder einer Bänderdehnung auf. Zur Behandlung der Symptome stehen wirksame Medikamente zur Verfügung. Und verhaltenstherapeutische Maßnahmen helfen Narkoleptikern einen Rhythmus zu finden, mit dem sie die unheilbare Krankheit dominieren – und nicht umgekehrt.

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