Hereditäres Angioödem

Attacken richtig deuten und gegensteuern

Von Tobias Lemser · 2025

Starke Schwellungen der Haut und Schleimhäute sind die Hauptsymptome des Hereditären Angioödems, kurz HAE. Bei circa einem von 50.000 Menschen wurde diese vererbbare Erkrankung hierzulande diagnostiziert – oft jedoch erst nach langer Leidenszeit. Dank moderner Medikamente ist die Krankheit heute gut behandelbar.

Ein Mann mit einer angeschwollener Oberlippe
Bei Betroffenen treten wiederholt unvorhersehbare Schwellungen im Gesicht auf. Foto: iStock / SaevichMikalai

Wer von einer Wespe gestochen wurde, braucht in der Regel nicht lange zu warten, bis das Areal um die Einstichstelle anschwillt – eine natürliche Reaktion des Körpers. Denn die im Wespengift enthaltenen Substanzen führen zu einer Entzündung und sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße erweitern und Flüssigkeit ins umliegende Gewebe eindringt. Doch was, wenn eine Schwellung eintritt, jedoch kein offensichtlicher Grund dafür erkennbar ist? Ursache hierfür könnte das Hereditäre Angioödem (HAE) sein – eine seltene Krankheit, bei der die Ödeme episodisch auftreten und bis zu drei Tage anhalten.

Hereditäres Angioödem: Haut und Magen betroffen

Das Gute: Auch wenn die einzelnen Schwellungen häufig nach einer gewissen Zeit wiederkehren, bilden sie sich immer von selbst zurück. Doch nicht nur Hautpartien – zumeist an Händen, Füßen, Lippen oder im ganzen Gesicht – können betroffen sein. Typisch sind auch schmerzhafte, krampfartige Bauchschmerzen, genauso wie Erbrechen, Durchfall oder Herz-Kreislauf-Symptome. Gar lebensbedrohlich können die Auswirkungen von HAE sein, wenn sich die Schwellungen am Kehlkopf oder an der Zunge bemerkbar machen. Es drohen Atemnot und letztlich Erstickungsgefahr. Ursache für die Schwellungen ist ein Gendefekt auf dem elften Chromosom. Dort befindet sich ein mutiertes Gen, das für die Herstellung des Proteins C1-Inhibitor zuständig ist. Wird dieses Protein in zu niedriger Menge produziert, werden die Blutgefäße durchlässiger für die Blutflüssigkeit. Tritt diese aus den Gefäßen aus und lagert sich ins Gewebe ein, kann es zu besagten Schwellungen kommen.

Oftmals langer Leidensweg

Zumeist beginnt die Erkrankung im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt. Das Problem hier: Bis es zur richtigen Diagnose kommt, vergehen oft einige Jahre oder sogar Jahrzehnte – vor allem dann, wenn die erblich bedingte Erkrankung in der Familie noch nicht bekannt ist. Da HAE angesichts der vergleichsweise wenigen Fälle nur selten in Arztpraxen Thema ist, kommen Ärztinnen und Ärzte dort mit Betroffenen kaum in Kontakt und haben daher kaum Erfahrung mit der Erkrankung. So erhalten viele von ihnen die Diagnose erst, nachdem sie eine Odyssee an Arztbesuchen hinter sich und Therapien durchlaufen haben, die keine Besserung gebracht haben. Dank sehr guter biochemischer Möglichkeiten lässt sich HAE Typ 1 – die mit 85 Prozent der Fälle mit Abstand häufigste HAE-Variante – heute deutlich leichter diagnostizieren. Gerade weil manche Betroffene mehrere Episoden pro Woche erleiden, ist es wichtig, bestimmte Trigger zu kennen. Vor allem verstärkter Druck auf die Haut, psychische Belastungen, aber auch Infektions- und Erkältungskrankheiten sowie bestimmte Medikamente können zu Attacken führen. 

Verbesserte Therapien

Zwei Behandlungsstrategien stehen besonders im Fokus: zum einen eine Bedarfsbehandlung der akuten Symptome, welche Schwellungsattacken abmildert und zudem verkürzt. Hier gab es zuletzt beachtliche Fortschritte. Zum anderen wird mithilfe der Langzeitprophylaxe die Anzahl der akuten Attacken erheblich vermindert. Insbesondere durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten lässt sich eine Vielzahl an Schwellungsattacken vermeiden, sodass ein Teil der an HAE erkrankten Menschen inzwischen symptomfrei ist – was sich deutlich auf die Lebensqualität auswirkt. Damit dies jedoch gelingt, braucht es aufgeklärte Patientinnen und Patienten und vor allem Ärzte, welche das Hereditäre Angioödem frühzeitig erkennen, um den Betroffenen einen passenden Therapieplan unterbreiten zu können.

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