Wissen

Mit Geduld und Spucke

Von Mike Paßmann · 2014

Wichtig für die Erforschung Seltener Erkrankungen ist der Austausch der gewonnenen Daten.

Die Forschung für Seltene Erkrankungen erfolgt meist in sehr kleinen Schritten, umsetzbare Ergebnisse lassen Jahre auf sich warten, dafür ist die Materie schlicht meist Neuland für die Mediziner. Ohne die Forschung jedoch gäbe es für (künftige) Betroffene kaum mehr Perspektiven.

Michael Müller wird mit dem Verdacht auf eine Endokarditis, also einer Entzündung der Herzinnenhaut, ins Krankenhaus eingeliefert. Symptomatik und Bildgebung weisen auf einen schweren Verlauf hin, der einer umgehenden Operation bedarf. Doch während der OP zeigt sich bereits, dass die ursprüngliche Diagnose wahrscheinlich nicht korrekt ist. Die Pathologie bringt Klarheit: Müller leidet an einem Systemischen Lupus erythematodes, kurz SLE, einer seltenen Autoimmunkrankheit, die auch Organe angreifen und unbehandelt zum Tode führen kann. Für den Patienten bedeutet die eher zufällig gestellte Diagnose Glück im Unglück, der behandelnden Uni-Klinik bringt sie einen wirtschaftlichen Schaden von mehreren Tausend Euro. Der Grund dafür liegt am Honorierungssystem, nach dem Krankenhäuser medizinische Leistungen fallbezogen abrechnen können – Seltene Erkrankungen sind dort jedoch nicht vorgesehen. Statt der entstandenen Kosten in Höhe von 9.000 Euro werden nur 3.500 Euro vergütet. 

Uni-Kliniken in Not

Dabei sind es zurzeit vor allem die Uni-Kliniken, die Seltene Erkrankungen behandeln, da dort am ehesten nach Ursprüngen, Verläufen, Diagnose- und Therapiemethoden bestimmter seltener Krankheitsbilder geforscht wird. Denn anderswo wurden die Patienten längst aufgegeben. Doch diese Forschungsarbeit wird nicht ausrechend honoriert: 2013 haben 17 der 33 Kliniken rote Zahlen geschrieben, insgesamt ist ein Minusbetrag von 161 Millionen Euro aufgelaufen. In der Folge könnte die Entwicklung neuer Therapien dem Rotstift zum Opfer fallen, weil beispielsweise für die Durchführung von klinischen Tests kein Geld mehr vorhanden ist. Den Patienten wäre damit nicht gedient.

Wissen verknüpfen

Doch es gibt auch viele positive Impulse, durch immer mehr forschende Pharmaunternehmen, aber auch unter anderem durch den „Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“, kurz NAMSE. Die 2010 gemeinsam von der Bundesregierung und den im Bereich Seltene Erkrankungen tätigen Selbsthilfeorganisationen entwickelte Initiative verfolgt als eines seiner wichtigsten Ziele die Forschungsförderung für diesen Bereich und möchte nationale und internationale Experten miteinander vernetzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, kurz BMBF, beteiligt sich unter anderem an deutschen und europäischen Forschungskooperationen mit bis zu 27 Millionen Euro bis zum Jahr 2018, bei denen zum Beispiel Krankheitsmechanismen und genetische Ursachen ergründet werden. 

Wichtig ist auch die Zusammenführung von Wissen zu spezifischen Erkrankungen, damit systematisch geforscht werden kann und es schnellstmöglich zu am Patienten umsetzbaren Ergebnissen kommt – auch wenn nur wenige Menschen überhaupt für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Zurzeit gibt es zwölf dieser Forschungsverbünde, beispielsweise das Netzwerk für Mitochondriale Erkrankungen, das Netzwerk für Autoinflammatorische Syndrome bei Kindern und Jugendlichen oder das Netzwerk für Erbliche Netzhauterkrankungen. Über einen Zeitraum von drei Jahren gibt es für die unter der Bezeichnung „Research For Rare“ zusammengefassten Netzwerke vom BMBF eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 20 Millionen Euro. 

Schnell mal ausgelesen

Viele Seltene Erkrankungen haben ihren Ursprung in einem genetischen Defekt. Hier setzt das „next generation sequenzing“ an: Eine neue Methode reduziert Aufwand und Kosten, in dem Millionen der winzigen DNA-Abschnitte parallel ausgelesen und nach bestimmten Fehlern untersucht werden. Sind sie lokalisiert, müssen ihre Funktionsweisen erforscht werden; Behandlungsansätze gibt es jedoch meist nur wenn klar ist, unter welchen Bedingungen die Zellen mutieren und was zum Auslösen der Symptome führt. Ein beschwerlicher Weg also – der den Betroffenen über kurz oder lang Nutzen bringen kann. 

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