Arzneimittelzulassung

Vereinfachter Markeneintritt

Von Mike Paßmann · 2014

Der Zulassungsprozess dauert bei Arzneimitteln meist einige Jahre, bei Seltenen Erkrankungen kann er verkürzt werden.

Hohe Entwicklungs- und Vermarktungskosten, aber nur eine überschaubare Zielgruppe – für Pharmaunternehmen bedeuten Arzneimittel, die bei Seltenen Erkrankungen zum Einsatz kommen, ein hohes wirtschaftliches Risiko. Eine europäische Verordnung bietet den Unternehmen Anreize zur Entwicklung der Medikamente. Derzeit gibt es nur für 44 Seltene Erkrankungen Zulassungen – bei mehr als 7.000 Krankheitsbildern.

Arzneimittel für Seltene Erkrankungen werden auch als Orphan Drugs bezeichnet. Der englische Begriff orphan, übersetzt „die Waise“, trifft die Situation sehr genau, denn nur für einen verschwindend geringen Teil der bekannten seltenen Erkrankungen gibt es überhaupt Arzneimittel. Die Mehrheit jedoch spielt für die pharmazeutische Industrie eine untergeordnete oder auch keine Rolle. Sogenannte „Blockbuster“, also Umsätze mit einem Medikament jenseits der Milliarden-US-Dollar-Marke, sind hier noch seltener, als das bei Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck der Fall ist. Allerdings gibt es durchaus Potenzial, zum Beispiel durch die sehr große Gruppe an seltenen Krebserkrankungen. Aber auch wegen der für die Pharmaunternehmen reizvollen Möglichkeit, die hohen Entwicklungs- und Vermarkungskosten durch entsprechend hohe Arzneimittelpreise zu überkompensieren. 

Langer Weg bis zur Zulassung

Seit dem Jahr 2000 gibt es eine europäische Verordnung, die den Pharmaunternehmen die Zulassung neuer Arzneimittel für Diagnose, Prävention und Behandlung bei Seltenen Erkrankungen erleichtert. Denn nur dadurch – so war die Überlegung – können auch diese Patienten vom medizinischen Fortschritt profitieren. Zunächst müssen die Wirkstoffe als Orphan-Medizinprodukt vom Committee for Orphan Medicinal Products (COMP), das zur europäischen Arzneimittelagentur ema gehört, zugelassen werden. Wichtige Voraussetzungen dafür: Es sind nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen in der EU von der Erkrankung betroffen, die Krankheit ist chronisch, lebensbedrohlich oder führt zur Invalidität und es existiert keine zuverlässige Alternative. Die Pharmaunternehmen müssen den Antrag wissenschaftlich belastbar begründen, wobei sich die Forschungsarbeit entweder noch in den Kinderschuhen befindet, der Wirkstoff noch nicht an Menschen getestet wird oder aber die Wirksamkeit bereits in klinischen Studien am Menschen überprüft wird. Erteilt wird die endgültige Zulassung nach eingehender Prüfung von Risiken, Wirksamkeit und Qualität durch das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), also dem Ausschuss für Humanarzneimittel. Sie erfolgt nicht eu-weit, sondern muss auch noch von den einzelnen Länderkommissionen erteilt werden. Und: Sie kann auch unter der Bedingung erfolgen, dass bestimmte Daten nachgeliefert werden müssen. Häufiges Problem: Es gibt nur wenige Betroffene für die Durchführung belastbarer Studien. Das sorgt einerseits für eine frühe Zulassung, damit den Menschen rasch geholfen werden kann, andererseits aber auch für eine ständige Erfolgsüberprüfung durch die Behörden. 

Garantierte Entlastung

Für ihr Engagement erhalten die Pharmaunternehmen unter anderem eine attraktive Marktexklusivität für zehn Jahre. Wird der Wirkstoff auch bei Kindern eingesetzt, verlängert sie sich auf zwölf Jahre. Zusätzlich bekommen sie beispielsweise günstige oder auch kostenlose organisatorische Unterstützung, eine deutliche Reduzierung der Gebühren für das Zulassungsverfahren und die jährlichen Inspektionen sowie mitunter beschleunigte Verfahrenszeiten. Insgesamt ergeben sich schnell Einsparungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Allerdings belaufen sich Forschungs- und Entwicklungskosten meist auf zweistellige Millionenbeträge.

Die Vorteile des Orphan Drug-Status‘ könnte Pharmahersteller dazu verleiten, Wirkstoffe als elementar für die Behandlung Seltener Erkrankungen auszugeben – um unterm Strich eine schnellere Zulassung für abweichende und finanziell reizvollere Indikationen zu erhalten. Die aktuellen Zahlen sprechen jedoch eher gegen diese Vermutung: Derzeit sind nur 75 Medikamente als Orphan Drug gelistet, 35 weitere haben den Status nach Ablauf der zehn beziehungsweise zwölf Jahre wieder verloren. In der Prüfung befinden sich derzeit immerhin mehr als 1.250 Arzneimittel, viele von ihnen für onkologische Erkrankungen. Welche Präparate zugelassen und somit Hoffnung für die Patienten bringen werden, ist völlig unklar – das Engagement der Unternehmen stimmt jedoch positiv.

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