Autoimmunerkrankung

„Ziel ist die bestmögliche Krankheitskontrolle“

Von Nadine Effert · 2023

Portrait eines Mannes mit weißem Hintergrund.
Univ.-Prof. Prof. h.c. Dr. med. Dr. h.c. Heinz Wiendl

Die Myasthenia gravis führt zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche. Über Ursachen, klassische Symptome und moderne Behandlungsoptionen berichtet Univ.-Prof. Prof. h.c. Dr. med. Dr. h.c. Heinz Wiendl, Direktor Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie, Universitätsklinikum Münster.

Was steckt hinter der Myasthenia gravis?

Es handelt sich dabei um eine erworbene Autoimmunerkrankung, bei der die Reizübertragung vom Nerv auf die quergestreiften Muskeln gestört ist. Ursache ist eine fehlgesteuerte Immunreaktion. Es kommt zur Bildung von Antikörpern, vor allem gegen sogenannte Acetylcholin-Rezeptoren, die an der postsynaptischen Membran der neuromuskulären Endplatte sitzen. Eine Rolle spielt die hinter dem Brustbein sitzende Thymusdrüse als wichtiges Organ bei der Entwicklung des Immunsystems im Kindesalter. Im Erwachsenenalter bildet sich die Drüse zurück. Bei den meisten Betroffenen ist der Thymus verändert oder in seltenen Fällen von einem Tumor befallen. Frauen erkranken bereits ab dem 20. Lebensjahr (und oft auch schwerer) an Myasthenia gravis – Männer am häufigsten im vierten Lebensjahrzehnt.

Wie macht sich die Erkrankung bemerkbar?

Typisch ist, dass die Muskelschwäche nach Belastung auftritt oder sich verstärkt und abends ausgeprägter ist als morgens. Erste Anzeichen können im Bereich der Augen sein: Sehstörungen in Form von Doppelbildern, schwere Augenlider. Weiter können auch die Kau- und Rachenmuskulatur sowie die Muskulatur der Extremitäten betroffen sein. Letztlich kann sogar die Atemmuskulatur beeinträchtigt sein, sodass die betroffene Person intensivmedizinisch behandelt werden muss. Dies nennt man „Myasthene Krise“.

Was macht die Krankheit zu einer Herausforderung?

Zum einen, dass ihr Verlauf nicht vorhersehbar ist und dass sie sich sehr heterogen manifestiert und verläuft. Zum anderen, dass die Beschwerden individuell sehr unterschiedlich ausfallen. Folglich wandern Betroffene meist von einem Arzt zum nächsten, sodass oft Jahre vergehen können, bis eine Diagnose – etwa mittels Untersuchung des Bluts auf Antikörper – erfolgt.

Ziel der Therapie sind die bestmögliche Krankheitskontrolle und eine Symptomfreiheit. Wie gelingt das?

Während Cortison, Immunsuppressiva und B-Zell-gerichtete Antikörper die Angriffe des Immunsystems dämpfen, wirken sogenannte Cholinesterasehemmer symptomatisch, indem sie den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin hemmen, wodurch die Nervenimpulse verstärkt werden. Die Entfernung des Thymus führt häufig zu einem milderen, besser kontrollierbaren Verlauf, da nach der OP weniger Medikamente verabreicht werden müssen. Heutzutage kann eine Myasthenie in vielen Fällen gut behandelt werden und können Betroffene ein weitgehend normales Leben führen. Eine Reihe neuer Medikamente ist seit Kurzem verfügbar – und in der Entwicklung: Sogenannte FcRn-Inhibitoren und Hemmer des Komplementsystems wirken schneller und spezifischer auf die immunologischen Treiber der Erkrankung.

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