Krankheitsporträt

„NMOSD hat unser Leben komplett verändert“

Von Tobias Lemser · 2023

Bundesweit sind bis zu 2.000 Menschen von NMOSD betroffen, einer seltenen, schwerwiegenden Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 39 Jahren. Matthias Fuchs, selbst Betroffener, berichtet, wie er von der Diagnose erfahren hat und was ihm dabei hilft, mit der Erkrankung umzugehen.

Matthias Fuchs und seine Frau Christine vor einem Wasserfall.

Als Matthias Fuchs im Jahr 2010 mit seiner Frau Christine zur gemeinsamen Reise nach New York City aufbrach, ahnte er noch nicht, wie sich von diesem Urlaub an sein Leben verändern würde. „Ich stand auf dem hell erleuchteten, mit Blitzlichtern durchzogenen Times Square und spürte plötzlich einen starken Schmerz auf meinem linken Auge. Die Sicht wurde völlig verschwommen, als wäre Nebel davor.“ 

Krankheitsporträt: Neurologe sorgte für Klarheit

Zurück in München, suchte der damals 34-jährige Ingenieur schnellstmöglich einen Augenarzt auf, der ihn nach einigen Tests weiter zum Neurologen schickte. Diagnose: Sehnerventzündung, was, wie er damals noch nicht wusste, ein Zeichen für seine Erkrankung sein kann. Dank Steroidinfusionen konnte Matthias Fuchs sein Sehvermögen wiedererlangen. Doch dann der nächste Tiefschlag: „Zwei Jahre später konnte ich beim Wandern meinen linken Fuß nicht mehr richtig hochheben und stolperte über jeden Stein“, erinnert er sich. 
Nach umfangreichen Untersuchungen und zahlreichen Tests beim selben Neurologen und am Klinikum Großhadern war schließlich klar: Der Münchner hat NMO (engl. Neuromyelitis optica). Diese Erkrankung gehört zu der Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die auch als NMOSD (Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen) bezeichnet wird. Dabei wird durch fehlgeleitete Abwehrzellen des Immunsystems irrtümlich körpereigenes Gewebe angegriffen. Damit einhergehende Entzündungen betreffen vor allem das Rückenmark und die Sehnerven, jedoch auch in einigen Fällen das Gehirn. Schwere, sich wiederholende Schübe können zur Erblindung, Lähmung oder sehr selten sogar zum Tod führen. Das Komplexe bei NMOSD: Mit jedem Schub verschlimmert sich der Zustand der Betroffenen – mitunter sogar sehr schnell. 
Typische Beschwerden sind Sehstörungen, genauso wie Taubheit oder Kribbeln in den Extremitäten. Nicht wenige Betroffene haben Schwierigkeiten beim Gehen, so wie Matthias Fuchs, der sich nach der Diagnose immer schlechter bewegen konnte und zeitweise Mühe hatte, ganz allein vom Sofa aufzustehen. „Als ich 2019 kaum noch 500 Meter laufen konnte, entschied ich mich für einen Rollstuhl.“

Unaufhaltsame Reiselust 

Gerade wegen der drohenden Immobilität schlägt NMOSD vielen Betroffenen auf die Psyche. Genauso bei Matthias Fuchs: Auch wenn er noch immer damit kämpft, die Erkrankung zu akzeptieren, geht der Autofan weiterhin positiv durchs Leben: „Die Diagnose hat unser Leben komplett verändert. Aber nicht nur im Negativen. Unser Alltag ist überhaupt nicht traurig. Wir sind viel unterwegs gewesen und sind es immer noch. In den letzten Jahren haben wir die USA, Kanada, Hawaii, Afrika, Island und viele Destinationen in Europa bereist.“ Seit 2020 sind Matthias und Christine in Besitz eines Campervans, womit sie so oft wie möglich dem Alltagsstress entfliehen.

Frühzeitige Therapie entscheidend

Bis zur Antikörpertherapie hat es insgesamt sieben Jahre gedauert – was unter anderem daran lag, dass es bis zu diesem Zeitpunkt noch keine zugelassenen Medikamente für NMOSD gab. Das große Problem: die finanzielle Übernahme durch die Krankenkasse. Matthias Fuchs musste einen langen Weg über mehrere Instanzen gehen, bis die Krankenkasse schließlich einwilligte, die Kosten für eine sogenannte Off-Label-Therapie zu übernehmen. Für den Münchner ein großes Glück – auch weil die Diagnose nach kurzer Zeit in einem frühen Stadium gestellt wurde, was grundsätzlich bei allen an NMOSD-Erkrankten für eine gute Prognose zentral ist. 

Doch es braucht neben der frühzeitigen Diagnose auch eine konsequente Behandlung mit dem obersten Ziel, neue Schübe zu verhindern. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie kommen sowohl bei einem akuten Erkrankungsschub als auch im täglichen Leben ebenso der Physio- und Ergotherapie eine besondere Bedeutung zu.

Ob NMOSD Matthias Fuchs als Mensch verändert hat, beantwortet der Münchner voller Überzeugung: „Absolut. Die eigene Situation zu überdenken, die Lebensperspektive zu ändern und Hilfe anderer anzunehmen kosteten zwar einiges an Anstrengung, kann aber wunderbare Möglichkeiten schaffen.“

Steckbrief NMOSD

Verlauf
meist schubförmig

Symptome
meist Sehstörungen und/oder Sensibilitätsstörungen bis hin zur Lähmung in Armen und Beinen

Beeinträchtigungen
Symptome bilden sich zum Teil nach Schub schlecht zurück; Verschlechterung nur durch Schub

Durchschnittliches Erkrankungsalter
39 Jahre

MRT
größere, zusammenhängende Entzündungsherde meist in Sehnerven und Rückenmark

Quelle: DMSG: MULTIPLE SKLEROSE UND NEUROMYELITIS-OPTICA-SPEKTRUM-ERKRANKUNG

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