Gentherapien

Die Gene im Fokus

Von Mark Krüger · 2024

Menschen mit seltenen Erkrankungen benötigen dringend Therapien. Großes Potenzial schlummert in Gentherapien, da rund 80 Prozent der Seltenen auf Veränderungen im Erbgut basieren. Noch steht nur für eine Handvoll diese Behandlungsform zur Verfügung. Neues aus der Forschung, wie etwa im Fall von Epilepsie, und eine mit dem Nobelpreis ausgezeichnete neue Technologie sind große Hoffnungsträger.

DNA-Helix
Foto: iStock/peterschreiber.media

Funktionale Gene in das Erbgut einbringen, die fehlerhaften Gene reparieren, die Expression spezieller Gene oder auch die Proteinproduktion regulieren: Erfolgreiche gentherapeutische Ansätze haben das Potenzial, die Ursache einer genetisch verursachten, seltenen Krankheit zu bekämpfen. Heißt, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder diese sogar zu heilen. Beispiel: Spinale Muskelatrophie (SMA). Die seltene Muskelerkrankung ist die häufigste genetisch bedingte Todesursache bei Säuglingen. 

Eine entsprechende Gentherapie, bei der mithilfe sogenannter viraler Vektoren therapeutische Gene als „Medikament“ direkt in die Zelle transportiert werden, wurde in Deutschland erstmals 2017 zugelassen. Wird der Gendefekt im Rahmen des Neugeborenen-Screenings entdeckt und die SMA-Gentherapie früh verabreicht, kann eine Verringerung des Muskelschwunds bei betroffenen Kindern, die sonst schwer krank sind und früh sterben, erreicht werden. An einer Gentherapie zur Heilung der SMA wird aktuell geforscht.

Neue Ansätze in Gentherapien

Seit der weltweit ersten Gentherapie im September 1990 haben Forschende eine Vielzahl neuer gentherapeutischer Verfahren entwickelt – nicht zuletzt die Gen-Schere CRISPR-Cas, mit der sich Gene sehr passgenau korrigieren lassen und für deren Entdeckung es 2020 den Chemie-Nobelpreis gab. Im Dezember 2023 hat die europäische Arzneimittel-Agentur EMA erstmals den Einsatz dieser Gen-Schere als Therapie empfohlen – und zwar zur Behandlung der selten vorkommenden Sichelzellkrankheit und Beta-Thalassämie. Fakt ist: Derzeit gibt es nur für eine Handvoll der Seltenen zugelassene Gentherapien. Forschung ist teuer und die Aussicht auf Gewinn für Pharmakonzerne aufgrund der niedrigen Anzahl an Patientinnen und Patienten gering. Die überregionale Verteilung Betroffener erschwert zudem die Durchführung aussagekräftiger Studien. Zumindest stehen derzeit über 50 weitere gentherapeutische Ansätze in der Entwicklung, so auch im Fall der Epilepsie, von der es mehr als 30 verschiedene, darunter einige seltene Formen – wie das Doose- oder Dravet-Syndrom – gibt.

Therapieresistente Epilepsien lindern 

Zwar steht für Epilepsie, bei der es zu einer Überaktivierung des Gehirns und krampfartigen Anfällen kommt, eine breite Palette an Wirkstoffen zur Verfügung, doch nicht alle Betroffenen erreichen damit eine Anfallsfreiheit. Dies gilt zum Beispiel für Menschen, deren Epilepsie durch fokale kortikale Dysplasien (FCD), das sind lokalisierte Fehlbildungen in der Hirnrinde, ausgelöst werden. Hier hilft lediglich ein chirurgischer Eingriff, bei dem das fehlgebildete Gewebe entfernt wird – mit einem hohen Risiko, dabei benachbartes gesundes Gewebe zu beschädigen. An einer risikoärmeren Alternative tüfteln derzeit Forschende am Queen Square Institute of Neurology in London. Dort wurden heranwachsenden Mäusen mit per Gen provozierter Epilepsie sogenannte Adeno-assoziierte Viren (AAV) injiziert, die das therapeutische Gen für einen Kaliumkanal in den Hirnzellen installieren, um damit eine Übererregbarkeit zu verhindern. Die Behandlung führte laut Studie, die im Februar 2024 im Fachmagazin „Brain“ veröffentlicht worden ist, zu einem Rückgang der epileptischen Anfälle um 87 Prozent. Etwa 60 Prozent der Tiere wurden anfallsfrei. Kognitive Störungen als Folge blieben aus. Eine klinische Studie am Menschen ist in den nächsten fünf Jahren geplant.

Gentest gibt Gewissheit

Da die meisten seltenen Erkrankungen genetisch bedingt sind, können sie mit der geeigneten genetischen Analyse diagnostiziert werden. Sie kann dabei helfen, die Ursache der Erkrankung zu finden. Zudem kann die Wiederholungswahrscheinlichkeit innerhalb der Familie oder für das erneute Auftreten in nachfolgenden Generationen berechnet werden.

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